Autor: Michi
Zum qualifizierten Umgang mit den Vertretern des Profifußballs gehört nicht nur die Würdigung ihres Tuns auf dem grünen Viereck, sondern auch die Auseinandersetzung mit ihren Erkenntnissen und Ansichten über ihre Tätigkeit sowie andere wichtige Bereiche des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Lebens. Diese Überzeugung hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten bei vielen - wenn auch nicht allen - Machern und Konsumenten der Massenmedien in zunehmendem Maße durchgesetzt.
Im folgenden sind nun einige Statements zusammengetragen, welche in ihrer Gesamtheit das Selbstverständnis des Balltreters konkret und detailliert greifbar machen. Um ein möglichst aussagekräftiges Gesamtbild entstehen zu lassen, sind auch Zitate derjenigen aufgeführt, die das Wirken und Werken des bezahlten Kickers lenkend und bewertend begleiten - also von Trainern, Funktionären und Reportern. Zur besseren Veranschaulichung der Zusammenhänge sind die Aussagen nach folgenden Themengebieten sortiert:
(1.) | Die grundsätzliche Frage nach dem Sinn |
(2.) | Die Sprache als Gestaltungsmittel |
(2.1.) | Begriffsvertauschung |
(2.2.) | Sonderbehandlung der Fälle |
(2.3.) | Fremdsprachen |
(2.4.) | Fremdwörter |
(3.) | Das Fußballspiel als solches |
(3.1.) | Vor dem Spiel |
(3.2.) | Während des Spiels |
(3.3.) | Nach dem Spiel |
(4.) | Der Fußballer als Privatperson |
(4.1.) | Vergangenheitsbewältigung |
(4.2.) | Gegenwart |
(4.3.) | Zukunft |
(5.) | Naturwissenschaften |
(5.1.) | Mathematik |
(5.2.) | Elementare Aussagelogik |
(5.3.) | Physik |
(5.4.) | Biologie |
(5.5.) | Medizin |
(6.) | Gesellschaftswissenschaften |
(6.1.) | Politik |
(6.2.) | Geographie |
(6.3.) | Religion |
(7.) | Geisteswissenschaften |
(7.1.) | Psychologie |
(7.2.) | Philosophie |
(8.) | Poesie |
(9.) | Wertung aus Sicht der Hauptdarsteller |
(10.) | Schlußwort |
Um diese Abhandlung bezüglich ihrer Notwendigkeit von vornherein korrekt einordnen zu können, sei ihr
(1.) Die grundsätzliche Frage nach dem Sinn
vorangestellt. Tut der bezahlte Kicker sich selbst überhaupt einen Gefallen, wenn er von seinem Verstand - anstelle seinen Füßen - Gebrauch macht ? Gerd Müller, bis heute unangefochtener Spitzenreiter der Ewigen Bundesliga-Torschützenliste, stellt hierzu fest:
Wenn's denkst, ist eh zu spät.
Lothar Matthäus kennzeichnet den Widerspruch zwischen dieser Weisheit und seinem Mitteilungsbedürfnis wie folgt:
Manchmal spreche ich zuviel.
Wobei ihm der Hinweis darauf gestattet sein soll, daß seine Redseligkeit nur eine Konsequenz des öffentlichen Interesses darstellt:
Und wenn dein Reden auch stockfalsch und blödsinnig ist:
Hauptsache, du tust wieder den Mund auf.
Im Prinzip sind sich die Herren Müller und Matthäus jedenfalls einig. Was einen Großteil der im folgenden wiedergegebenen Aussagen mit einem gewissen Notwendigkeitsvorbehalt versieht.
Bevor es nun ans Eingemachte - sprich: an die inhaltliche Dimension der fußballspezifischen Rhetorik - geht, soll unsere Aufmerksamkeit der Art und Weise, wie die kurzbehosten Volkshelden
(2.) Die Sprache als Gestaltungsmittel
einsetzen, gelten. Betrachten wir hierzu als erstes das Prinzip der
(2.1.) Begriffsvertauschung
als einfache, aber wirksame Methode, welche ihren Reiz dem Kontrast zwischen korrekter Wahl der Worte und inkorrekter Anordung derselben verdankt. Beispiele:
Da muss dann mal einer die Hand ins Heft nehmen.
(Thomas Helmer )
Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken.
(Lothar Matthäus)
Wie so oft liegt auch hier die Mitte in der Wahrheit.
(Rudi Völler)
Ein weiteres sprachliches Gestaltungsmittel, dem eine ausführliche Betrachtung zusteht, ist die
(2.2.) Sonderbehandlung der Fälle
als Ausdruck der allgemein bekannten Tatsache, daß "Jeder redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist." Jürgen Klinsmann demonstriert beispielhaft die Mutation des Akkusativs zur Ortsangabe:
Das sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann.
Lothar Emmerich macht sich in vergleichbarer Weise zum Sprachrohr der Kampagne "Helft den Akkusativ !", indem er fordert:
Gib mich die Kirsche !
Unterstützung findet er dabei auf einem Hinweisschild im Gelsenkirchener Parkstadion:
Zu die Pressetische.
Die Gegenbewegung "Rettet dem Dativ !" findet ihren Wortführer in Andreas Brehme, welcher uns folgendes mitteilt:
Bedanken möchten wir uns auch bei den Fans,
auf denen wir uns immer verlassen konnten.
Den Höhepunkt des in diesen Statements zum Ausdruck kommenden Konfliktes zwischen Dativ und Akkusativ verdanken wir jenem (leider nicht namentlich bekannten) Schiedsrichter, welcher Willi "Ente" Lippens mit den Worten
Ich verwarne Ihnen !
die Gelbe Karte zeigte, worauf Herr Lippens folgerichtig entgegnete:
Ich danke Sie !
Daß es hierfür die Rote Karte gab, gehört zu den historischen Absonderlichkeiten des fußballspezifischen Sprachkonfliktes. Lobend erwähnt sei Jürgen Wegmann für seinen Hinweis auf die Probleme ausländischer Spieler mit derartigen linguistischen Skurrilitäten:
Das muß man verstehen, daß er Schwierigkeiten hat, sich einzugewöhnen. Er ist die deutsche Sprache noch nicht mächtig.
Womit Herr Wegmann sehr elegant die Überleitung vom phantasiereichen Umgang mit der Muttersprache zu einem ebensolchen mit
(2.3.) Fremdsprachen
hergestellt hat. Für Waldemar Hartmann beginnt es bereits bei der Begrüßung seiner Zuschauer:
Guten Abend, meine Damen und Herren, und - bonne noir.
Ein noch höheres kreatives Potential offenbart jene finnische Zeitung, welche die Feststellung des walisischen Nationaltrainers mit dem Wortlaut "Rush an' Hughes are some of the best attackers in the world" wie folgt wiedergibt:
Russische Juden sind mit die besten Stürmer der Welt.
Betrachten wir schließlich die Mischform aus mutter- und fremdsprachlicher Artikulation. Viele Aussagen gewinnen erheblich an Ausdruckskraft, wenn an den entscheidenden Stellen
(2.4.) Fremdwörter
eingebaut werden. Die Sicherheit im Umgang mit letzteren variiert dabei jedoch von (zumindest angenommener) Souveränität ...
Körperlich bin ich gut drauf, physisch natürlich auch.
(Thomas Häßler)
Wir müssen gewinnen, alles andere ist primär.
(Hans Krankl)
Wir sind eine gut intrigierte Truppe.
(Lothar Matthäus)
Ich habe ihn nur ganz leicht retuschiert.
(Olaf Thon)
... über leichten Zweifel ...
Ja gut, der arbeitet von morgens bis abends.
Ja gut, sowas nennt man im Volksmund, glaube ich, Alcoholic.
(Rudi Völler über Reiner Calmund)
... bis hin zum offenen Eingeständnis der Unwissenheit:
In der ersten Halbzeit haben wir ganz gut gespielt,
in der zweiten fehlte uns die Kontinu..., äh, Kontuni...,
...ach, Scheiß-Fremdwörter.
Wir waren nicht beständig genug !
(Pierre Littbarski)
Man beachte, daß Herr Littbarski hier gleich zwei Offenbarungseide leistet - je einen sprachlichen und fußballerischen. Dies führt uns nun zum nächsten Kapitel.
(3.) Das Fußballspiel als solches
(3.1.) Vor dem Spiel
Die Zeit unmittelbar vor dem Anpfiff ist die Zeit für Spekulation ...
Ich wage mal eine Prognose: Es könnte so oder so ausgehen.
(Ron Atkinson)
... Motivation ...
Mach et, Otze ! (Erich Rutemöller)
... taktische Orientierung ...
Wir spielen hinten Mann gegen Mann,
und ich spiel gegen den Mann.
(Olaf Thon)
... Gedanken über den Umgang mit einem Erfolg ...
Wir fahren hin, hau'n die weg und fahren wieder zurück.
(Peter Neururer)
... Gedanken über den Umgang mit einem Mißerfolg ...
Wir sind hierher gefahren und haben gesagt:
Okay, wenn wir verlieren, fahren wir wieder nach Hause.
(Marco Rehmer)
... gelegentlich auch für Gedanken über einen etwas anderen Umgang mit einem Mißerfolg:
Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten
wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt.
(Rolf Rüssmann)
Wobei den Befürwortern der letztgenannten Vorgehensweise die Folgen klar sein sollten:
Wer in Bochum von Strafraum zu Strafraum geht und sich
dabei nicht den Knöchel bricht, dem gebe ich einen aus.
(Christoph Daum)
Über die Bedeutung der bevorstehenden neunzig Minuten bestehen in jedem Fall keine Zweifel:
Grau is alle Theorie, maßgebend is auffen Platz.
(Adi Preißler)
(3.2.) Während des Spiels
gilt natürlich die ganze Aufmerksamkeit der Akteure dem Geschehen:
Es ist wichtig, daß man neunzig Minuten mit voller
Konzentration an das nächste Spiel denkt.
(Lothar Matthäus)
Die Beurteilung desselben obliegt hingegen den Herren Kommentatoren ...
Zwei Minuten gespielt, noch immer hohes Tempo.
(Holger Obermann)
Wenn man über rechts kommt,
muß die hintere Mitte links wandern,
da es sonst vorne Einbrüche gibt !
(Karl-Heinz Rummenigge)
Das Spiel ist zu weit, zu eng.
(Wolfram Esser)
... wobei sie jedoch stets damit rechnen müssen,
(3.3.) Nach dem Spiel
von den Cheftaktikern korrigiert zu werden:
Das Spielfeld war zu lang für Doppelpässe.
(Berti Vogts)
Naturgemäß ist nach dem Schlußpfiff die Zeit für detaillierte Analysen, sei es nun psychologischer ...
Wir waren alle vorher überzeugt davon, daß wir das Spiel gewinnen.
So war auch das Auftreten meiner Mannschaft,
zumindest in den ersten zweieinhalb Minuten.
(Peter Neururer)
... zahlenmäßiger ...
Ich habe zwei verschiedene Halbzeiten gesehen.
(Volker Finke)
Meine Mannschaft ist fünfzehn- oder sechzehnmal ins Abseits gerannt. Das haben wir auch die ganze Woche geübt.
(Manfred Krafft)
... oder strategischer Natur:
Das macht uns so unberechenbar.
Keiner weiß, wann er ausgewechselt wird.
(Thomas Helmer - Frage an Herrn Helmer: Unberechenbar für wen ?)
Thomas Häßler sei das Herausstellen des Teilerfolges gegönnt ...
Wir wollten in Bremen kein Gegentor kassieren.
Das hat auch bis zum Gegentor ganz gut geklappt.
... sowie den Herren Berichterstattern zum einen die abschließende Wertung ...
Auch ohne Matthias Sammer hat die deutsche Mannschaft bewiesen, daß sie in der Lage ist, ihn zu ersetzen.
(Marcel Reif)
... und zum anderen - natürlich - das Verkünden der Ergebnisse:
Saarbrücken bezwang Freiburg mit 1:1.
(Klaus Schwarze)
Wolfsburg hat die letzten drei Heimspiele verloren zu Hause.
(Michael Wiese)
Wo denn auch sonst, wenn nicht zuhause ? Bestimmt nicht im Stadion von
Schalke 05 (Carmen Thomas).
(4.) Der Fußballer als Privatperson
(4.1.) Vergangenheitsbewältigung
Des Kickers menschlicher Werdegang dreht sich - natürlich - um Fußball ...
Früher war ich ein großer Fan von Mönchengladbach.
Doch da hatte ich noch keine Ahnung vom Fußball.
(Marco Reich)
... aber auch um andere Dinge, die sein irdisches Dasein sinnvoll erscheinen lassen.
Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben ... Den Rest habe ich einfach verprasst.
(George Best)
Mr. Best demonstriert hier einen bemerkenswert differenzierten Umgang mit seinen finanziellen Möglichkeiten. Derartige Lehren aus der Vergangenheit prägen naturgemäß die
(4.2.) Gegenwart
des Kickerdaseins, wie wir von Klaus Täuber erfahren:
Heute knall ich mir die Birne voll,
bis mir das Bier zu den Ohren rausläuft !.
Wobei allerdings ab einer gewissen menschlichen Reife grundsätzlichere Dinge wie z.B. Wohnkultur in den Vordergrund treten:
Soll ich etwa ein Lagerfeuer im Wohnzimmer machen ?
(Anthony Yeboah auf die Feststellung des "Kicker", er wohne "wie ein deutscher Musterbürger")
Korrekt, Herr Yeboah - es empfiehlt sich bisweilen, auf Dinge hinzuweisen, mit denen man sich nicht assoziert sehen möchte:
Die Fans müssen wissen, daß ich kein Clown bin.
(Oliver Kahn)
Auch von seiner
(4.3.) Zukunft
hat der Profifußballer konkrete Vorstellungen. Martin Wagner gelingt es gar, Eßkultur und sportlichen Ehrgeiz miteinander zu verbinden:
Wir werden die Spitze mit Messer und Gabel verteidigen.
Die nächsten Kapitel sollen nun die vielschichtige Auseinandersetzung des bezahlten Balltreters mit dem wissenschaftlichen Leben darlegen.
(5.) Naturwissenschaften
(5.1.) Mathematik
Seitdem die Viererkette in der Abwehr zum taktischen Repertoire der Fußballehrer zählt, wird vom Profikicker erwartet, weiter als bis drei zählen zu können. (Gerüchte, daß bei einem norddeutschen Stadtteilklub das Spiel mit der Viererkette an eben dieser Voraussetzung gescheitert sei, sollen hier nicht weiter untersucht werden.) Der Umgang des Fußballers mit der Zahlenkunde sei im folgenden illustriert durch Beispiele aus der Mengenlehre (hier praktiziert auf der Basis der natürlichen Zahlen) ...
Der Rizzitelli und ich, wir sind schon ein tolles Trio, äh, Quartett. (Jürgen Klinsmann).
... den Vier Grundrechenarten ...
Ihr fünf spielt jetzt vier gegen drei.
(Fritz Langner).
... der Bruchrechnung ...
Ein Drittel ? Nee, ich will mindestens ein Viertel.
(Horst Szymaniak).
... der Prozentrechnung ...
Zu fünfzig Prozent haben wir es geschafft,
aber die halbe Miete ist das noch nicht.
(Rudi Völler)
Zwei Chancen, ein Tor -
das nenne ich hundertprozentige Chancenauswertung.
(Roland Wohlfarth)
... und der Wahrscheinlichkeitsrechnung:
Ich bleibe auf jeden Fall wahrscheinlich beim KSC.
(Sean Dundee)
Die Wahrscheinlichkeit, nicht Meister zu werden, ist größer als die Wahrscheinlichkeit, dem Abstieg nicht zu entgehen.
(Dettmar Cramer).
Als die bevorzugte mathematische Disziplin in Kickerkreisen muß jedoch zweifellos die
(5.2.) Elementare Aussagelogik
gelten, weshalb dieser hier ein eigenes Unterkapitel zugestanden wird. Die große Menge der diesem Gebiet zuzuordnenden Zitate bedarf wohl keiner ausführlichen Kommentare, eher einer Kategorisierung nach Gestalt der logischen Relation, um die fußballspezifische Komplexität dieses Betrachtungsfeldes besser nachvollziehbar zu machen.
(5.2.1.) Prinzip der sich nicht gegenseitig ausschließenden Ereignisse (aus "A" kann "B" folgen)
Eigentlich bin ich ein Supertyp.
Aber ich kann wohl auch ein richtiger Arsch sein.
(Mario Basler)
(5.2.2.) Prinzip der sich bedingenden Ereignisse, final betrachtet
(aus "A" folgt "B")
Ich habe ihn ausgewechselt, weil ich einen anderen Spieler einwechseln wollte. Da mußte ich einen auswechseln.
(Ewald Lienen)
(5.2.3.) Prinzip der sich bedingenden Ereignisse, kausal betrachtet
("B" bedingt "A")
Rosenborg hat 66 Spiele gewonnen,
und sie haben in jedem getroffen !
(Brian Moore)
In erster Linie stehe ich voll hinter dem Trainer,
in zweiter Linie hat er recht.
(Olaf Thon)
(5.2.4.) Prinzip der sich gegenseitig ausschließenden Ereignisse
(aus "A" folgt "nicht B", aus "nicht A" folgt "B")
Entweder ich gehe links vorbei, oder ich gehe rechts vorbei.
(Ludwig Kögl)
Wenn man ein 0:2 kassiert, dann ist ein 1:1 nicht mehr möglich.
(Aleksander Ristic)
Würden wir jede Woche so spielen,
wären unsere Leistungen nicht so schwankend.
(Bryan Robson)
Nach diesen Beispielen für klassische, auch aus anderen Umfeldern bekannte Abhängigkeiten hier nun einige Ausformungen individualistischer Logik:
(5.2.5.) Prinzip des sich selbst bedingenden Ereignisses
(aus "A" folgt "A")
Mein Problem ist, daß ich immer sehr selbstkritisch bin,
auch mir selbst gegenüber.
(Andreas Möller)
Das nächste Spiel ist immer das nächste.
(Matthias Sammer mit einer Verallgemeinerung der Sepp Herberger-Weisheit "Das nächste Spiel ist immer das schwerste")
Ich denke, wenn die Geschichte sich wiederholt,
können wir nochmal das gleiche erwarten.
(Terry Venables)
Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß !
(Andreas Brehme)
(Als Beleg dafür, daß das letztgenannte Ereignis auch tatsächlich eintreten kann, sei hier Hermann Gerland zitiert:
Heute hatten wir Scheiße anne Füße !)
(5.2.6.) Prinzip des sich selbst bedingenden Ereignisses, komplementäre Betrachtung
(aus "nicht A" folgt "nicht A")
Im großen und ganzen war es ein Spiel, das,
wenn es anders läuft, auch anders hätte ausgehen können.
(Eike Immel)
(Man beachte hier die verallgemeinernde Einleitung "Im großen und ganzen" - in diesen Worten manifestiert sich der Respekt des Herrn Immel vor den Gesetzen der elementaren Logik und seine Behutsamkeit im Umgang mit denselben.)
(5.2.7.) Prinzip des sich selbst ausschließenden Ereignisses
(aus "A" folgt "nicht A")
Man hetzt die Leute auf mit Tatsachen,
die nicht der Wahrheit entsprechen.
(Toni Polster)
Für uns war die Trainerfrage nie eine Trainerfrage.
(KSC-Präsident Roland Schmider)
Ein besonders elegantes - da weniger vordergründig formuliertes - Beispiel für ein sich selbst ausschließendes Ereignis liefert uns Paul Gascoigne:
Ich mache nie Voraussagen und werde das auch niemals tun.
(5.3.) Physik
Aus diesem Gebiet sind nicht viele, aber dennoch recht beachtenswerte Statements von Profikickern und ihren Weggefährten bekannt. Ex-DFB-Präsident Hermann Neuberger faßt seine Beobachtungen über die Verformung der Materie wie folgt in Worte:
Die Breite an der Spitze ist dichter geworden.
Inwieweit Wolfram Wuttke seine Feststellung
Immer, wenn ich breit bin, werde ich spitz
auf die des Herrn Neuberger bezogen sehen wollte, ist leider nicht bekannt. Leichter zu interpretieren ist die Aussage des Heribert Faßbender über die Temperaturen auf Teneriffa:
Tagsüber, wenn die Sonne scheint,
ist es hier noch wärmer !
Ebenso wie die Physik spielt auch die
(5.4.) Biologie
in unseren Betrachtungen eine eher untergeordnete Rolle - zumindest mengenmäßig. Betrachten wollen wir zwei Versuche des Gerd Rubenbauer, die menschlichen Körperteile zu sortieren ...
Einen so harten Ellenbogen hat der in ganz Kolumbien noch nicht erlebt. Aber genaugenommen war es das Knie.
Die Achillesferse von Bobic ist die rechte Schulter.
... sowie den des Fabrizio Hayer, den Lebensraum und die bevorzugte Körperhaltung gewisser Reptilien zu ergründen:
Ich weiß auch nicht, wo bei uns der Wurm hängt.
Reiner Calmund schließlich beschreibt die tierische Komponente seines Klubs wie folgt:
Wir sind nur Underducks.
(5.5.) Medizin
Hier haben wir es mit einem Genre zu tun, welches für den Fußballer in fundamental verschiedener Hinsicht von Bedeutung ist. Frank Pagelsdorf demonstriert seine Art des Umgangs mit der Prämisse "Vorbeugen ist besser als heilen":
Wir werden nur noch Einzelgespräche führen,
damit sich keiner verletzt.
Bruno Labbadia konstatiert den keimfreien Journalismus:
Das wird alles von den Medien hochsterilisiert.
Michael Tarnat braucht keinen Arzt, er operiert sich selbst:
Ich will an meinem rechten Fuß feilen.
Dragoslav Stepanovic urteilt über Vitalität im Alter:
Was der Rudi Bommer heute mit seinen 800 Jahren geleistet hat, war schon phänomenal.
Ulf Kirsten stellt fest, daß auch das irgendwann einmal vorbei ist:
Wir waren bereits klinisch tot.
Und Peter Pacult schließlich beschäftigt sich schon mit den Konsequenzen daraus:
Ja, der FC Tirol hat eine Obduktion auf mich.
(6.) Gesellschaftswissenschaften
(6.1.) Politik
Leistungssport - insbesondere Fußball - und Politik sind nicht mehr sinnvoll voneinander zu trennen, und die Athleten wissen dies auch. Anthony Baffoe mahnt beim Schiedsrichter, der ihm die Gelbe Karte zeigt, die Solidarität im Kampf gegen Rassendiskriminierung an:
Mann, wir Schwatten müssen doch zusammenhalten !
Und Johannes Rau, ehemaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, macht sich um die Gleichberechtigung der Frau in der Gesellschaft verdient, indem er zu dem Vorschlag, das neue Stadion in Gelsenkirchen nach einer Frau zu benennen, folgendes anmerkt:
Wie soll das denn dann heißen?
Ernst-Kuzorra-seine-Frau-ihr-Stadion ?
(6.2.) Geographie
Im Vergleich zum Normalbürger darf sich der Profikicker - insbesondere der mit Verpflichtungen internationaler Art - einer gewaltigen Jahreskilometerleistung rühmen. Kein Wunder, daß er sich besonders gut auf dem Globus auskennt.
Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien !
(Andreas Möller)
Es war, als würde ich im Ausland spielen.
(Ian Rush über seine Zeit bei Juventus Turin)
Ich fliege irgendwo in den Süden -
vielleicht nach Kanada oder so.
(Mehmet Scholl)
Natürlich ist ein interessiertes Verfolgen der Geschehnisse in fernen Ländern diesem Wissen dienlich:
Und wie sieht's in Brasilien aus,
dem Mutterland des Fußballs ?
(Wolf-Dieter Poschmann)
Mit der Konsequenz, daß einem auf Dauer nicht nur die Länder, sondern auch deren Bewohner bestens vertraut sind:
Die Schweden sind keine Holländer -
das hat man ganz genau gesehen.
(Franz Beckenbauer)
Auch größenmäßig ist es der größte Nachteil,
daß die Torhüter in Japan nicht die Allergrößten sind !
(Klaus Lufen, ARD)
Wenn wir Deutschen tanzen, und nebenan tanzen Brasilianer,
dann sieht das bei uns eben aus wie bei Kühlschränken.
(Berti Vogts)
Wohlgemerkt ist ein derartiges Differenzierungsvermögen nicht nur bezogen auf Länder oder Völker, sondern bisweilen auch bezogen auf Einzelpersonen von Nutzen ...
Jeremies ist kein Eilts !
(Heribert Faßbender)
... zumal dies nicht allen in gleichem Maße zueigen ist:
Die "Rudi"-Rufe hat es vorher nur für Uwe Seeler gegeben.
(Gerd Rubenbauer)
(6.3.) Religion
Hier haben wir es nun mit einem Gebiet zu tun, dem die balltretenden Volkshelden mit auffälliger Zurückhaltung gegenüber stehen - in krassem Gegensatz zu ihren Anhängern, welche je nach Mentalität den Fußballsport in seiner Gesamtheit oder speziell ihren Lieblingsklub zu einer "Religion" erklären und dies dahingehend präzisieren, daß ausgewählte Spieler zum "Fußballgott" ernannt werden. Der italienische Schriftsteller Umberto Eco beschreibt dieses Phänomen wie folgt:
Der Fußball ist einer der am weitesten verbreiteten religiösen Aberglauben unserer Zeit. Er ist heute das wirkliche Opium des Volkes.
Horst Heldt hingegen hingegen positioniert sich jenseits derartiger Wertesysteme, indem er die Frage, woran er glaube, folgendermaßen beantwortet:
An die fünf lebenswichtigen Bausteine in Nutella.
(7.) Geisteswissenschaften
(7.1.) Psychologie
Bis hierhin mag der Eindruck entstanden sein, daß des Fußballers Rede überwiegend oder gar ausschließlich von rationalen Aspekten geprägt sei - sprachliche Ausgefeiltheit, analytischer Scharfsinn, Darstellung von Zusammenhängen nach den Regeln der Logik, detaillierte Auseinandersetzung mit Natur- und Gesellschaftwissenschaften. Ein solcher Eindruck wäre allerdings nicht korrekt. Selbstverständlich ist das Leben des Profikickers - wie das jeder anderen menschlichen Kreatur - ebenso von Gefühlen bestimmt. Und er scheut sich auch nicht, sie preiszugeben ...
Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl.
(Andreas Möller)
... und über den Umgang mit ihnen nachzudenken:
Haß gehört nicht ins Stadion.
Solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau
daheim im Wohnzimmer ausleben.
(Berti Vogts)
Betrachten wir nun als letzten Wissenschaftzweig die
(7.2.) Philosophie
in ihrer Funktion als Betätigungsfeld für Gedanken aller Art, ohne vorgegebene Zweckbestimmung. Jean-Paul Sartre stellt folgende Betrachtung grundsätzlicher Natur an:
Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich allerdings alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.
Und Berti Vogts seinerseits nimmt diese Erkenntnis zu Anlaß, darüber nachzudenken, wie es ohne eine gegnerische Mannschaft wäre:
Ich glaube, daß der Tabellenerste jederzeit
den Spitzenreiter schlagen kann.
Ein besonders beliebter Themenschwerpunkt fußballerischer Philosophie ist die Auseinandersetzung mit dem Schicksal als solchem. Lothar Matthäus stellt sich dem scheinbar Unabänderlichen entgegen:
Ein Lothar Matthäus läßt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus entscheidet selbst über sein Schicksal.
Andere hingegen beschränken sich auf die Kontemplation dessen, was - scheinbar oder tatsächlich - nicht zu ändern ist:
Die Eintracht ist vom Pech begünstigt.
(Karl-Heinz Körbel)
Wer hinten steht, hat das Pech der Glücklosen.
(Helmut Schulte)
Zuerst hatten wir kein Glück,
und dann kam auch noch Pech dazu.
(Jürgen Wegmann)
Derartige Anflüge resignativen Selbstmitleids werden vielleicht verständlich, wenn man sich die Bedeutung der ganzen Angelegenheit vor Augen führt:
Einige Leute halten Fußball für einen Kampf auf Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, daß es weit ernster ist.
(Bill Shankley, Manager des FC Liverpool)
(8.) Poesie
Die Kunst der gebundenen Sprache ist in Kickerkreisen eher wenig verbreitet. Dokumentiert ist lediglich der Versuch eines Akteurs mit Namen Hubert Finken in Diensten der Berliner Tasmania, sich auf lyrischem Wege seinem Gegenspieler bekannt zu machen:
Mein Name ist Finken, und Du wirst gleich hinken.
Der Inhalt dieses Verses läßt erahnen, warum seinen Zunftgenossen eher wenig nach fußballspezifischer Dichtkunst zumute ist.
Nachdem wir nun die Gedankenwelt des professionellen Fußballers als weitestgehend erschlossen betrachten können, wollen wir uns einen Moment Zeit für die
(9.) Wertung aus Sicht der Hauptdarsteller
nehmen. Spielt es für den bezahlten Kicker überhaupt eine Rolle, ob und wie die Öffentlichkeit von seinen Ansichten und Erkenntnissen Notiz nimmt ? Die Antwort auf diese Frage weiß Dieter Eilts:
Das interessiert mich wie eine geplatzte Currywurst im ostfriesischen Wattenmeer.
Womit wir wieder bei Gerd Müller und Lothar Matthäus sind, die den Sinn dieser Abhandlung bereits ganz zu Beginn in Frage gestellt haben. Das
(10.) Schlußwort
sei einem Gentleman vorbehalten, dem wir den eindrucksvollen Beweis dafür verdanken, daß sprachliche Hilflosigkeit und inhaltliche Überzeugungskraft sich nicht zwingend gegenseitig ausschließen müssen:
Ich habe fertig. (Giovanni Trappatoni)